Zoff am Gartenzaun – Albtraum Nachbarschaftsstreit

Seelöwen streiten

Konflikte unter Nachbarn sind kein Klischee, sondern traurige Realität. Wer seine Rechte kennt, ist klar im Vorteil – und wird vielleicht sogar zum Friedensstifter …

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Der legendäre Satz des deutschen Dichterfürsten Friedrich Schiller hat bis heute nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt. Die Deutschen, so scheint es, sind ein Volk von Streithähnen: Bei einer Befragung des Nürnberger Marktforschungsunternehmens GfK erklärte immerhin jeder Dritte, sich schon einmal mit dem Nachbarn angelegt zu haben. Ob Kinderlärm, Haustierhaltung oder Grillgeruch aus dem Garten nebenan: Ein Anlass zum Streiten findet sich immer. Mehr noch: Die Bereitschaft, „Belästigungen durch Nachbarn zu tolerieren, sinkt“, beobachtet Christian Langgartner, Rechtsanwalt aus München. Hat ein erboster Anwohner dann auch noch eine Rechtsschutzversicherung, gibt es oft kein Halten mehr – und der Streit endet vor Gericht.

Eigentlich ist alles bereits juristisch bewertet

Oft wäre eine solche Eskalation jedoch vermeidbar. Die meisten Klassiker in Sachen Nachbarschaftsstreit sind inzwischen nämlich ausgeurteilt oder gesetzlich geregelt. Wer etwa sicherstellen will, dass der Nachbar zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr morgens keine lauten Partys feiert, braucht nicht mehr vor Gericht zu ziehen: Die Nachtruhe ist einzuhalten. Basta.

Verbindliche Regelungen in allen Bundesländern

Gleiches gilt für Fehden zwischen Zen-Gärtnern und den Liebhabern wild wuchernder Botanik: Die Bundesländer haben verbindlich geregelt, in welchem Abstand zum Zaun ein Nachbar Pflanzen setzen darf. In Bayern etwa dürfen Hecken, Stauden und Sträucher bis zu einer Höhe von zwei Metern nicht näher als 50 Zentimeter an die Grundstücksgrenze in die Erde. Höhere Bäume und Gewächse müssen sogar mindestens zwei Meter vom Gartenzaun entfernt sein.

Ragen nachbarliche Äste dann doch über die eigene Grenze, darf man sie entgegen landläufiger Ansicht allerdings nicht einfach abschneiden. Ausnahme: Sie stellen eine unzumutbare Belastung dar – nehmen etwa die komplette Sonne oder die eigenen Pflanzen gehen kaputt. Doch selbst dann darf ausschließlich der Nachbar selbst zur Gartenschere greifen. Und auch für das Obst von herüberhängenden Zweigen gilt: Pflücken verboten. Es ist nur dann zum Verzehr freigegeben, wenn es aufs eigene Grundstück abfällt.

Dauerbrenner Kinderlärm

Beim Dauerthema Kinderlärm herrscht inzwischen ebenfalls weitgehend Klarheit: „Die Gerichte erwarten hier eine große Toleranz“, sagt Ulrich Ropertz, Rechtsexperte beim Deutschen Mieterbund. So hat der Gesetzgeber mittlerweile klargestellt, dass Kinderlärm von Kitas, Kindergärten und Spielplätzen in der Regel „keine schädliche Umwelteinwirkung“ darstellt. Klagen von Nachbarn gegen Kindergeschrei vom angrenzenden Grundstück sind daher überwiegend zum Scheitern verdammt.

Dauerbrenner Haustierlärm

Etwas strikter handhaben die Gerichte Störungen, die von tierischen Mitbewohnern ausgehen. Grundsätzlich müssen Nachbarn zwar Vogelgezwitscher und Hundegebell von nebenan hinnehmen. Allerdings sind die Tierhalter dazu verpflichtet, dass ihre Lieblinge die Nachbarschaft nicht dauerhaft beschallen. So entschied etwa das Landgericht Hannover, dass es zwar nicht zu beanstanden sei, in einer Außenvoliere mehrere Papageien zu halten. Da deren exotisches Geschrei sich klanglich aber von einheimischen Vögeln abhebe, müsse der Vogelbesitzer sicherstellen, dass seine gefiederten Freunde nicht länger als zwei Stunden pro Tag Geräusche verursachen (Az.: 16 S 44/08).

Plitsch-Platsch-Streitereien

Selbst höchstpersönliche menschliche Verrichtungen werden immer wieder zum Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Das Landgericht Berlin hatte in den vergangenen Jahren gleich zwei Fälle zu entscheiden, in denen sich Menschen durch Urinstrahlgeräusche ihrer Nachbarn beeinträchtigt fühlten. Einmal hatten die Bewohner eines Neubaus geklagt, weil sie selbst im Wohnzimmer noch hören konnten, wenn ihr Nachbar seine Blase entleerte (Az. 67 S 335/08). Das Gericht sah darin eine Beeinträchtigung des Wohnwerts – und erlaubte eine Mietminderung. Zu einem anderen Ergebnis kam das Gericht im zweiten Fall: Diesmal spielte sich der Streit im Altbau ab. Und dort musste der Kläger mit den Plätschergeräuschen aus Nachbars Badezimmer klarkommen, entschieden die Richter (Az. 65 S 159/S). Schließlich dürfe niemand in einem 50er-Jahre-Haus einen modernen Schallschutz erwarten.

Raucher vs. Nichtraucher

Ein moderner Klassiker des Nachbarschaftsstreits ist auch die Frage, ob Nichtraucher damit leben müssen, dass in der Wohnung nebenan fröhlich gequalmt wird. Die Antwort lautet: Jein. Raucher dürfen ihrem Laster zumindest unbeschwert nachgehen, ja sogar „exzessiv“ in ihrer Wohnung rauchen, solange sie Außenstehende dadurch nicht schädigen oder in unzumutbarer Weise belästigen (BGH Az. VIII ZR 37/07). Wann die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschritten ist, bewerten natürlich alle Menschen – und damit auch die Gerichte – unterschiedlich. Statt sich auf einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang einzulassen, ist es wohl auch in dieser Konstellation besser, erst einmal ein Gespräch mit dem Gegenüber zu suchen – oder während der Rauchpausen des Nachbarn einfach das Fenster zu schließen.

Gerichtsurteil gefallen – Aber dann?

Außerdem gilt ganz allgemein: Ein Urteil alleine beseitigt die Probleme nicht immer. Im Gegenteil. Oft ist nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung das Verhältnis so vergiftet, dass der nächste Zoff bereits vorprogrammiert ist. Wer eine solche Negativspirale vermeiden will, sollte zunächst versuchen, das Problem einvernehmlich zu lösen. Vielleicht weiß der Nachbar ja gar nicht, dass seine Kinder regelmäßig über Nachbars Grundstück toben oder die Katze dort ihr Geschäft verrichtet. Erst wenn auch wiederholte Aussprachen nichts bringen oder der Nachbar erkennbar auf stur schaltet, ist es Zeit für die zweite Eskalationsstufe.

Alternative Schlichtungsverfahren

Vor Gericht ziehen muss aber auch in dieser Phase noch niemand. Stattdessen empfiehlt es sich, erst einmal ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren durchzuführen. In einigen Bundesländern, etwa in Bayern oder Nordrhein-Westfalen, ist ein solches Verfahren sogar vorgeschrieben. Nur wenn dieses erfolglos bleibt, dürfen die Streithähne ein ordentliches Gericht anrufen

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